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- | ====== Fragebogenkonstruktor ====== | + | ====== Anspruch auf Ausgleichszahlungen im Falle der Flugverspätung bei verpasstem Anschlussflug, der selbst auch verspätet war ====== |
- | Der Fragebogenkonstruktor ist eine Web-Applikation innerhalb der Testplattform. Mit dem Fragebogenkonstruktor können neue Fragebögen erstellt oder bereits bestehende Fragebögen bearbeitet werden. | ||
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+ | ======1. Begriff Verspätung ====== | ||
+ | ===== a) Abflugverspätung ===== | ||
+ | In der Verordnung über die Fluggastrechte der europäischen Gemeinschaft ist keine eindeutige Definition über den Begriff „Flugverspätung“ zu finden. Ansatzpunkte enthält lediglich Art. 6 der Verordnung, der von einer „Verspätung“ spricht. | ||
+ | ===== b) Große Verspätung ===== | ||
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+ | In Art. 6 I EG-VO 261/2004 findet sich eine Auflistung, ab wann von einer großen Verspätung gesprochen werden kann. Eine solche liegt vor, wenn der Flug mit einer Verspätung von | ||
+ | * Mind. 2 h bei einer Flugstrecke weniger 1500 km | ||
+ | * Mind. 3 h bei einer Flugstrecke zwischen 1500 km und 3500 km | ||
+ | * Mind. 4 h bei einer Flugstrecke über 3500 km | ||
+ | abfliegt. | ||
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+ | Die Flugentfernung wird gemäß Art. 7 IV EG-VO nach der sogenannten Großkreismethode berechnet. Diese stellt die jeweils kürzeste Verbindung zwischen den Ortspunkten entlang des Globus dar. Wenn eine Flugverbindung einen Zwischenstopp beinhaltet, sind die jeweiligen Teilstrecken zwischen den Punkten zur Berechnung zu addieren. | ||
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+ | ====== 2. Flugverspätung ====== | ||
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+ | ===== a) Abstellen auf Ankunftsverspätung ===== | ||
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+ | Mit der Sturgeon-Entscheidung des EuGH (http://www.judicialis.de/Europäischer-Gerichtshof_C-432-07_Urteil_19.11.2009.html) wurde nun festgestellt, dass auch Fluggäste eines annullierten oder stark verspäteten Fluges einen Anspruch auf Ausgleichleistungen haben, wenn ihnen keine alternative Beförderung angeboten werden kann. Laut EuGH erleiden diese Fluggäste ähnliche Unannehmlichkeiten, sowie einen irreversiblen Zeitverlust. | ||
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+ | Da dieser Zeitverlust allerdings erst bei Ankunft am Endziel festzustellen ist, entschied er Europäische Gerichtshof nun, dass bei der Beurteilung des Art. 7 der Fluggastrechteverordnung auf die tatsächliche Verspätung in Bezug auf die planmäßige Ankunftszeit am Endziel abzustellen ist. | ||
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+ | Bei einer Verspätung von mind. 3 Stunden am maßgeblichen Endziel, sind dementsprechend Ausgleichzahlungen gem. Art. 7 der VO zu gewähren. Unter Endziel ist der Zielort des letzten Fluges zu verstehen. Obwohl diese Sturgeon-Entscheidung besonders in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen ist, erfuhr sie durch weitere Urteile des EuGH und BGH immer mehr an Anerkennung. | ||
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+ | ===== b) Abflugverspätung unerheblich ===== | ||
+ | In der Rechtssache Folkers | ||
+ | (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=134201&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1) entschied der EuGH über den Umstand, ob einem Flugreisenden auch schon Ausgleichzahlungen gewährt werden müssen, wenn bei Abflug noch keine erhebliche Verspätung bestand, die Ankunftsverspätung am Endziel dann aber mind. 3 Stunden beträgt. | ||
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+ | In dieser Entscheidung wurde noch einmal deutlich hervorgehoben, dass die in Art. 6 EG-VO angesprochene Verspätung auf die Unterstützungs- und Betreuungsleistungen der Art. 8 und 9 VO bezogen ist. Die in Art. 6 VO bezifferten zeitlichen Voraussetzungen beziehen sich dementsprechend auch nicht auf die Ausgleichleistungen des Art. 7 VO. | ||
+ | Somit sei die Grenze bei einer 3-stündigen Ankunftsverspätung zu ziehen. Begründet wurde diese Annahme mit einer sonst vorliegenden ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Fluggästen, die zwar pünktlich am Startflughafen losgeflogen sind, allerdings mit einer erheblichen Verspätung gelandet sind. | ||
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+ | Somit wurde mit diesem Urteil auch insbesondere die Sturgeon-Entscheidung bekräftigt und unterstützt. | ||
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+ | ===== c) Anschluss – Zubringerflug ===== | ||
+ | Der BGH entschied am 07.05.2013 (https://openjur.de/u/635882.html) | ||
+ | , dass man strikt zwischen dem Zubringer- und dem Folgeflug unterscheiden muss. Für die den Anspruch auf Ausgleichsleistungen, kommt es maßgeblich auf die endgültige Ankunftsverspätung an. | ||
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+ | Es ist nicht das Ziel der einzelnen Flüge gemeint. Es kommt allein darauf an, dass die tatsächliche Verspätung am Endziel durch den Zubringerflug verursacht wird. Dementsprechend haben Flugreisenden auch in den Fällen einen Anspruch auf Ausgleichzahlungen, wenn sich der Vorflug nicht unbedingt 3 Stunden verspätet, der jeweilige Fluggast allerdings trotzdem den Anschlussflug nicht pünktlich erreichen kann. | ||
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+ | Es ist dabei unerheblich, ob auch der eigentliche Anschlussflug mit einer Verspätung losgeflogen ist. Maßgebend ist lediglich die tatsächliche verzögerte Ankunft des Fluggastes an seinem Ziel. Zudem kommt es auch nicht auf den Ort des Zwischenstopps an. | ||
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+ | ===== d) Zeitpunkt des Abfluges ===== | ||
+ | Der Abflug erfolgt erst dann, wenn das betreffende Flugzeug mit allen Rädern den Boden verlassen hat, sich also schon in der Luft befindet. (https://openjur.de/u/642103.html) | ||
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+ | ===== e) Zeitpunkt der Ankunft ===== | ||
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+ | Eine genaue Definition über den Zeitpunkt der Ankunft ist bislang in der Verordnung über die Fluggastrechte nicht enthalten. Die Ankunftszeit wird aus Sicht der Rechtsprechung aber als derjenige Zeitpunkt bemessen, an dem zumindest eine Flugzeugtür geöffnet wird, vorausgesetzt den Passagieren wird im selben Moment gestattet, das Flugzeug auch zu verlassen. (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=157348&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1) | ||
+ | Der Flug endet dementsprechend mit dem endgültigen und sicheren Aussteigen der Flugreisenden am tatsächlichen Endflughafen. | ||
+ | Diese Zeitsetzung ist besonders für das Entstehen eines Anspruchs auf Ausgleichszahlung von Bedeutung | ||
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+ | ====== 3. Rechtsfolgen der Verspätung ====== | ||
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+ | Neben den Ausgleichzahlungen gemäß Art. 7 EG-VO, stehen den Fluggästen auch Ansprüche aus Art. 8 und 9 der Verordnung zur Verfügung. Die Verordnung gewährt hingegen keinen konkreten individuellen Anspruch auf Schadensersatz bei wirtschaftlichen Folgeschäden. Dafür ist eher das Montrealer Übereinkommen heranzuziehen. | ||
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+ | ===== a) Betreuungsleistungen (Art.9) ===== | ||
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+ | Die aufgelisteten Betreuungsleistungen in Art. 9 der EG-Verordnung beinhalten u.a. die Leistung von Verpflegung, Unterkunft oder auch der Beförderung zwischen Hotel und Flughafen, falls durch die Verspätung eine zusätzliche Übernachtung fällig würde. | ||
+ | Ein Anspruch ist für die Fluggäste schon dann ersichtlich, wenn nach angemessener Abwägung eine Verspätung schon abzusehen ist. Abgestellt wird dabei auf die Auflistung des Art. 6 der Verordnung und den dort aufgezählten Zeitabständen in Abhängigkeit der Flugdistanz. | ||
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+ | ===== b) Unterstürzungsleistungen (Art.8) ===== | ||
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+ | Gemäß Art. 8 der Verordnung steht den Reisenden unter bestimmten Umständen auch ein Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung zu. | ||
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+ | ===== c) Ausgleichsleistungen (Art.7) ===== | ||
+ | ==== aa) Allgemeines ==== | ||
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+ | Ausgleichsleistungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung werden in gestaffelter Höhe in Abhängigkeit zur Streckenentfernung gewährt. Die Staffelung erfolgt in folgender Art und Weise: | ||
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+ | * 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger, | ||
+ | * 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km, | ||
+ | * 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen | ||
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+ | Zur Berechnung der jeweiligen Flugstrecke wird gemäß Art.7 I 2 der Verordnung die Großkreismethode angewandt. Diese Methode sagt aus, dass die Entfernung zwischen den Startflughafen und dem Zielflughafen anhand der kürzesten Strecke entlang des Erdkreises bemessen wird. Dabei wird im Endeffekt auf die tatsächlich angeflogenen Flughäfen abgestellt, nicht auf die am Flugschein angegebenen. Es ist immer der letzte Endflughafen maßgeblich. Dies ist besonders bei Flügen von Bedeutung, die eine Umsteigeverbindung aufweisen. | ||
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+ | ==== bb) Außergewöhnliche Umstände ==== | ||
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+ | Für den Fall, dass eine Verspätung von mehr als 3 Stunden am Ankunftsort vorlag, können die Reisenden allerdings keinen Ausgleichsanspruch gelten machen, sobald ein außergewöhnlicher Umstand vorlag. Dies gilt allerdings nur solange sich dieser Umstand nicht vermeiden ließ und alle möglichen Maßnahmen zum Beherrschen bzw. Verhindern dieses Umstandes getätigt wurden. | ||
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+ | ==== cc) Kürzung ==== | ||
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+ | Der Anspruch auf Ausgleichzahlungen kann dem Fluggast gem. Art. 7 II um ca. 50% gekürzt werden, sobald dem Reisenden eine alternative Beförderung gemäß Art. 8 der VO angeboten wurde. Dies bezieht sich insbesondere auf alle | ||
+ | * Flüge über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger, die nicht später als zwei Stunden oder | ||
+ | * innergemeinschaftliche Flüge über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 und 3 500 km, die nicht später als drei Stunden oder | ||
+ | * nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flüge, die nicht später als vier Stunden | ||
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+ | ==== dd) Zahlungen ==== | ||
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+ | Die Zahlung der Ausgleichleistungen erfolgen in der Regel durch Barzahlung oder elektronische Überweisung, etc. Ein Reisegutschein muss von den Fluggästen nur angenommen werden, wenn der Reisendes ein schriftliches Einverständnis gibt. |
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